Mehr als 170 Trostberger sind zur Infoveranstaltung in den Postsaal gekommen. Fotos: fal
Trostberger wollen helfen
Stadt ist auf Flüchtlinge vorbereitet: Privatleute, Schulen, Kindergärten und Vereine sagen Unterstützung zu
Von Andreas Falkinger
„Ich bin als Bürgermeister stolz darauf, wie vernünftig und besonnen die Trostberger mit der Situation umgehen.“ So hat Bürgermeister Karl Schleid die „überraschend intensive Bereitschaft“ der Bürger kommentiert, den rund 60 Flüchtlingen helfen zu wollen, die ab Dezember in der Stadt unterkommen. Mehr als 170 Trostberger waren in den Postsaal gekommen, um sich darüber informieren zu lassen, wo Hilfe gebraucht wird. Rede und Antwort standen der neue Eigentümer des ehemaligen Gasthauses Hurmer in Wäschhausen, Hans Huber, die Sozialpädagogin Britta Barth von der Diakonie, Schleid und Rosi Auer, die seit 15 Jahren ehrenamtlich im Engelsberger Flüchtlingsheim engagiert ist.
[sam id=“8″ codes=“true“]Ziel der Versammlung war es, ein Hilfsnetz für die Asylsuchenden zu knüpfen. Schleid umriss die Maßnahmen, die zuerst greifen müssen: „Wir müssen den Flüchtlingen dabei helfen, die Sprachbarriere zu überwinden.“ Deshalb werden Leute gebraucht, die den Gästen die Grundlagen der deutschen Sprache beibringen. Weitere Einsatzgebiete seien die Freizeitgestaltung, Begleitung der Asylsuchenden zu Ärzten und Zahnärzten und die Schaffung einer Begegnungsmöglichkeit für Flüchtlinge und Trostberger – eine Art „Café International“, wie Schleid es nannte.
„Wir brauchen Ehrenamtliche, die die Menschen in ein geregeltes Leben hineinführen“, sagte der Bürgermeister. Er sehe viel Potenzial, die angebotene Hilfe unterzubringen. Wichtig sei es, die richtige Hilfen zur richtigen Zeit anzubieten. Wenn diverse Angebote beispielsweise wegen fehlender Verständigungsmöglichkeiten anfangs noch nicht abgerufen werden können, sollten sich die Bürger nicht zurückgewiesen fühlen – ihre Zeit komme noch.
Die Schulleiter in Trostberg stehen der Situation laut Schleid ebenfalls aufgeschlossen gegenüber. Kinder im schulpflichtigen Alter würden unterrichtet, für Kinder im Vorschulalter würden die städtischen Kindergärten Lösungen anbieten. „Und ich gehe davon aus, dass auch die kirchlichen Kindergärten dieser Pflicht nachkommen werden.“ Mariann Penn kündigte in diesem Zusammenhang an, dass das Wilhelm-Löhe-Zentrum in Traunreut sich der Kinder mit erhöhtem Förderbedarf annehmen werde. Außerdem bot Magdalena Jobst vom Arbeitkreis Anti-Rassismus des Hertzhaimer-Gymnasiums an, zum einen Sprachkurse und zum anderen Zeichen- und Malkurse für junge Menschen zu organisieren. Lea Pfeifer von den Pfadfindern sicherte zu, dass ihre Organisation zur Verfügung stehe, um Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei der Freizeitgestaltung zu helfen. Vom Engagement der jungen Trostberger zeigte sich der Bürgermeister besonders angetan: „Wir müssen den Flüchtlingen im Rahmen unserer Möglichkeiten wieder Spaß am Leben vermitteln.“
Schleid warb für Verständnis für die Flüchtlinge: „Sie werden in Gruppen auftreten, sie kommen aus anderen Kulturkreisen, haben einen anderen Lebensrhythmus und werden vielleicht etwas lauter sein.“ Oft werde sich darüber mokiert, dass sie in der Regel Handys besitzen. Auch das sei nachvollziehbar: „Handys sind für sie ein notwendiges Medium. Nur so können sie erfahren, ob ihre Verwandten noch leben oder wo sie untergebracht sind.“
Huber, Geschäftsführer von Immobilien Huber, kündigte an, dass das ehemalige Gasthaus Hurmer ab der kommenden Woche für die Bedürfnisse der Flüchtlinge umgebaut werde – der Brandschutz im Dachgeschoß, die sanitären Anlagen und der Zuschnitt der Räume werden erneuert und geändert. Huber hat bereits Erfahrung mit Flüchtlingsunterkünften: Seine Firma betreut in Ruhpolding ein Heim für 30 bis 40 Asylsuchende. Huber stellt die Neuausstattung der Zimmer, was Schränke, Betten und Wäsche betrifft. Die Köchin, die bislang in Ruhpolding tätig war, soll die Flüchtlinge mit Frühstück und zwei warmen Mahlzeiten täglich versorgen. Seine Ehefrau und sein Sohn werden sich um die Organisation vor Ort kümmern, kündigte Huber an. „Wir werden außerdem einen Unterrichtsraum einrichten. Wir wären dankbar für die Hilfe von Lehrern.“ Besonders gefragt seien Pädagogen mit Englisch- Französisch- und eventuell Arabisch-Kenntnissen. Huber verwies auf seine Erfahrungen aus Ruhpolding: „Die Menschen kommen zum Unterricht, sie sind willig. Im Großen und Ganzen sind das ganz vernünftige Leute.“
Mobiliar werde für das Anwesen in der Eichenstraße in Wäschhausen nicht gebraucht – anders als vielleicht in den privaten Unterkünften, in die etwa zwei Dutzend Flüchtlinge einziehen werden. Funktionsfähige Fernseher und Computer können gespendet werden, genauso wie Fahrräder. „Es wäre auch hilfreich, wenn sich Leute zur Verfügung stellen könnten, die den Flüchtlingen Radfahren beibringen“, sagte Huber. Ständig werde jemand aus seiner Familie oder seiner Firma vor Ort sein. „Wir bemühen uns alle darum, dass es keine Probleme gibt“, versprach Huber.
Diakonie-Mitarbeiterin Barth schilderte kurz die Grundsituation der Neuankömmlinge: „nachdem die Flüchtlinge in Deutschland angekommen sind und sich am Bahnhof oder bei der Polizei gemeldet haben, kommen sie erst einmal für ein bis drei Monate in ein Auffangcamp. Dort werden sie untersucht und dann in die Gemeinden losgeschickt.“ Hier müssten sie dann darauf warten, dass ihr Asylverfahren bearbeitet wird. Je nach Herkunft dauere das neun Monate bis zwei Jahre. „Die Leute können nur warten. Sie werden mit Essen und Taschengeld versorgt; diejenigen, die privat untergebracht sind, bekommen Geld und versorgen sich selbst.“ Derzeit dürfen die Flüchtlinge nach neun Monaten Aufenthalt arbeiten, wenn sie Asyl beantragt haben – und wenn sich für den betreffenden Arbeitsplatz kein Deutscher und kein EU-Bürger beworben haben.
„Es wäre super, wenn ein paar von den Flüchtlingen in Vereinen unterkommen könnten“, sagte Barth. „Die sitzen sonst den ganzen Tag rum und haben nichts zu tun.“ Diese fehlende Struktur sei für die meisten Asylsuchenden sehr problematisch. Rosi Auer ergänzte: „Die wollen eigentlich alle arbeiten, wollen beschäftigt sein.“ Bürgermeister Schleid bestätigte, dass die Asylsuchenden ab dem ersten Tag geringfügige gemeinnützige Arbeit leisten dürften – bis zu 20 Stunden pro Woche und für einen Stundenlohn von 1,05 Euro.
Barth und Auer forderten die Helfer auf, die Asylsuchenden nicht mit Kleiderspenden zu überhäufen. Kleiderspenden sollten außerdem nicht als Gelegenheit verstanden werden, den Kleiderschrank auszumisten. „Die Asylsuchenden kommen im Dezember – da brauchen sie keine Sandalen.“ Marlene Seeholzer, die in Trostberg die Caritas-Kleiderkammer organisiert, sagte, warme Unterwäsche sei besonders gefragt. Sinnvoll sei es, wenn Ehrenamtliche die Flüchtlinge zumindest anfangs zur Kleiderkammer begleiten könnten. „Die Leute sollen sich dort selbst aussuchen dürfen, welche Kleidungsstücke sie wollen“, sagte Seeholzer.
Der Trostberger Eyasu Adebabay, seit rund 30 Jahren in Deutschland, betonte, wie wichtig es ist, sich um die Flüchtlinge zu kümmern. „Wir müssen alle zusammenhelfen“, sagte er. „Wenn wir alle bereit sind, etwas zu tun, dann brauchen wir keine Angst zu haben.“ Als Außenseiter seien die Asylsuchenden der Gefahr ausgesetzt, dass sich zwielichtige Gestalten an sie heranmachten, weil sie leichte Opfer seien. Das gelte es gemeinsam zu verhindern. Außerdem bereitete er die Trostberger darauf vor, dass es anfangs diverse kulturell bedingte Missverständnisse geben werde. Nicht zu unterschätzen seien die auf den ersten Blick kleinen Handreichungen – beispielsweise wenn sich Freiwillige drum kümmern, dass die Neuankömmlinge mit dem Straßenverkehr zurechtkommen. Eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Flüchtlinge schnell in unsere Gesellschaft zu integrieren, sieht Adebabay im Sport. Das griff der 1. Vorsitzende des TSV Heiligkreuz, Manfred Wallner, postwendend auf: „Der Verein steht dem Projekt – wie der gesamte Ortsteil Heiligkreuz – aufgeschlossen gegenüber. Wir wollen helfen, wo es geht!“ Der Verein mit seinen rund 40 Übungsleitern werde gern seinen Beitrag leisten, um die Integration gelingen zu lassen. Die Freiwillige Feuerwehr und die Wasserwacht Trostberg sagten ebenfalls ihre Unterstützung zu. Birgit Wieneke von der vhs Trostberg bot an, geeignetes vhs-Material für den Deutschunterricht zu sichten, den Gisa Pauli und Peter Kirchgeorg mitgestalten wollen.
Koordiniert werden die Hilfsangebote von Alois Kellner vom Bürgerbüro im Rathaus. Zu erreichen ist er unter Tel. 08621/801-40.
(7. November 2014)
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