Schweißtreibenden Ska hat die Band Supervision aus Saiga Hans (aka Sankt Johann im Walde) auf dem Vormarkt zelebriert. Foto: fal
Wenn das kein Wahnsinnsklang war
Ska-Band Supervision und Soul-Formation Righteous Kill mischen den Vormarkt auf
Von Andreas Falkinger
Wollen wir übers Wetter reden. Ist ja Thema bei Freiluft-Veranstaltungen. Zu kalt, zu heiß, zu trocken, zu nass. Irgendwas ist immer. Immer? Nein, nicht immer. Da gibt’s doch tatsächlich ein Festival, wo das plötzlich keine Rolle mehr spielt. Zum Beispiel am Sonntag. Heiß, gut. Regen, auch gut. Oder nicht gut, aber wurscht, genau, hauptsächlich wurscht. Weil anderes wichtiger ist, viel wichtiger. Die Musik zum Beispiel. So soll’s ja auch sein bei einem Musikfest.
[sam id=“8″ codes=“true“]Da gibt’s so eine knappe Handvoll Enthusiasten, „positiv Wahnsinnige“ nennt man das heute wohl, die investieren ein halbes bis Dreivierteljahr, um was Ordentliches auf die Beine zu stellen. Die TroJa, die Trostberger Jazzgemeinschaft. Die macht das seit 16 Jahren, erst 14 Mal JazzTwoday, bis klar war, dass viele Leute Angst vor Jazz haben. Aber weil’s schade wär, wenn 14 Jahre Arbeit einfach so verpuffen würden, wenn das einschlafen würde, hat die TroJa radikal umgesteuert. Sie hat die stilistischen Grenzen eingerissen, dabei eines aber nicht gemacht: am Anspruch geschraubt. Der ist nach wie vor hoch. Anspruch an die Organisation, an die Technik, an die Musik. Drum auch der sportliche Titel: „ZwoaDogLang – Wahnsinnsklang“.
Genau das war am Wochenende geboten: Wahnsinnsklang, zum Beispiel auf der Vormarktbühne. Vermutlich, weil positiv Wahnsinnige positiv Wahnsinnige anziehen, in diesem Fall am Sonntag erst einmal Supervision. Die Band macht Ska und kennt nur zwei Tempi: Vollgas und schneller. Die natürliche Hitze spielte gar keine Rolle mehr, weil sie gegen die Hitze, die von der Bühne kam, eh nicht anstinken konnte. Es kann regnen oder schnei’n oder auch schön Wetter bleib’n. Egal, es brodelt sowieso. Schweiß auf der Bühne, vor der Bühne, hinterm Mischpult, überall Schweiß, literweise. Supervision haben innerhalb kürzester Zeit das Kunststück fertiggebracht, dass das Publikum mitgesungen hat, bei Liedern, die es definitiv nicht kannte. Aber es musste raus. Und so kann’s dann passieren, dass in Trostberg der Heimatort von Supervision besungen wird. „Saiga Hans, Saiga Hans!“ Also eigentlich Sankt Johann im Walde in Oberösterreich. Aber die Eingeborenen sagen halt Saiga Hans, seliger Hans. Alles sang, tanzte, wippte, schnippte, je nach Temperament. Aber dabei waren sie alle. Musik verbindet, Ska als Verbindung von Reggae und Rock sowieso. Der Vormarkt, ein blubbernder, dampfender Skakessel.
Und danach? Alles anders. Righteous Kill – noch ein sportlicher Titel. Da gehört immerhin was dazu, wenn sich eine Band nach einem Film mit De Niro und Pacino benennt, sind ja nicht die Schlechtesten. Doch die Formation, die sich für die Stilrichtung Garage-Soul-Blues-HipHop angekündigt hatte, stand praktisch noch nicht richtig auf der Bühne, da war schon klar: Nein, die sind nicht größenwahnsinnig. Die dürften sich auch „Pulp Fiction“, „Shutter Island“ oder „Metropolis“ nennen. „Vom Winde verweht“ eher nicht, denn als der Regen kam und ein kleines Stürmchen durch die Altstadt wehte, da wankte auf der Bühne keiner. Unten schon ein bisschen, aber nur bis zum nächsten Unterstand, weil man sich so ein Konzert schlicht nicht entgehen lassen darf. Durch die Bank Sonderextraklasse, vom Keyboarder Toby Mayerl über den Bassisten Peter Hajek und den Gitarristen Michael Dandorfer bis hin zum Schlagzeuger Frank Holderied. Nur vom Allerfeinsten – und die eigentlichen Stars des Konzerts wurden noch gar nicht erwähnt.
Ashonte „Dolo“ Lee ist bei „The Voice of Germany“ extrem unglücklich ausgeschieden, aber vorher hatte er mit seiner Soulstimme die Leute weggeblasen. Dass der Sulzbach-Rosenberger singen kann, ist kein Geheimnis. Begleitet wurde er von Naomi Feld und Mandy Wewer aus Köln. Die sind mehr als nur Backgroundsängerinnen. Sie können sich zurückhalten, sicher, und sie tanzen und bewegen sich wie das übliche Beiwerk auf den großen Showbühnen. Aber. Wenn die mal losgelassen sind, schmilzt alles weg. Was ein Gesang. Lee, Feld und Wewer auf einer Bühne, dazu noch diese Band – wie kommen die dazu, in Trostberg aufzutreten? Die müssten ins Stadion, in den Park, irgendwas Großes. Den Musikern hat’s getaugt, die hatten ihren Spaß. Welches Publikum könnte sich diesem Spaß entziehen? Wem’s nicht allerallerspätestens bei Stevie Wonders Bob-Marley-Reminiszenz „Master Blaster“ sämtliche Härchen aufgestellt hat, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Gänsehaut bei knapp 30 Grad. Und nach dem Konzert setzte sich Lee vor der Pizzeria in eine Gruppe junger Fans und sang mit denen noch ein bisschen weiter. Schwer zu toppen, ein Erlebnis für jeden, der dabei war, unbezahlbar. Und denjenigen vielen Trostberger, die nicht dabei waren, bleibt zumindest der Trost, dass sie sich zehn Euro Eintritt gespart haben. Hier zehn Euro – dort unbezahlbar. Herzlichen Glückwunsch, Pech gehabt.
(21. Juli 2015)
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