Prediger im Postsaal-Mompel: Reverend Andreas Rebers von der Glaubensgemeinschaft der schlesischen Bitocken. Foto: fal
Kreuzzug im Zweivierteltakt
„Rebers muss man mögen“ im Postsaal: Die Dachlatte mit maximalem Schwung immer auf die Zwölf
Von Andreas Falkinger
„Der Islamist, der arme Wicht, die gute Laune kennt er nicht. Hat keine schöne Volksmusik, drum führt er gern Guerillakrieg.“ Islamistenpolka. Warum eigentlich nicht? Gehen wir das Ganze doch mal mit einer jahrzehntelang eingeübten Problemlösungsstrategie an. Vorsprung durch Gemütlichkeit, Kreuzzug im Zweivierteltakt. Könnte was werden mit Andreas Rebers als Speerspitze im Kampf gegen religiösen Fanatismus. Der hat zum einen die notwendige Sprachgewalt, zum anderen die volksmusikalischen Fähigkeiten. Und als Reverend der Glaubensgemeinschaft der schlesischen Bitocken liefert er gleich noch den korrekten religiösen Überbau.
[sam id=“8″ codes=“true“]Der Mann ist sich seiner Ambivalenz bewusst. Rebers muss man mögen – so heißt ja auch sein aktuelles Kabarettprogramm, das er im Postsaal vorgestellt hat. Allein schon der Titel lässt Raum für Interpretationen. Kommt drauf an, wie man’s betont. Mit dem Akut auf „muss“ liefert er womöglich eine Deutung für die schlichteren Gemüter. Im Sinne von „Katzenbabys muss man mögen“. Das hätte was Putziges, Kindchenschema, lustige Reime, verpackt in volkskompatible Klänge. Mei, lieb. Aber das ist er nicht. Rebers ist nicht putzig. Bleibt der Akut auf „mögen“: Ja, man muss das schon mögen, dass ein Kabarettist seine Wahrheiten mit der verbalen Dachlatte serviert – scharfkantig, mit maximalem Schwung, immer auf die Zwölf, damit dem Performer im Publikum das Headset aus dem Ohr ploppt.
Klar, diese Zielgruppe sitzt nicht wirklich im Zuschauerraum. Die tut sich das nicht an, die ist mit Zeitgeist beschäftigt genug. Wer sich von „sozialen Medien“ seine Vorurteile und Verschwörungstheorien bestätigen lassen muss, hat keine Zeit für Kabarett oder andere intelligente Kommunikationsformen. Selbstvermarktung fordert den ganzen Menschen in Zeiten der instrumentalisierten Vernunft. Praktische Vernunft ist deren Sache nicht. Aber Rebers ist nun mal eher Vertreter der praktischen Vernunft. Da geht’s nicht um den schönen Schein, um Selbstdarstellung im schönsten Licht – es geht um sittliches Handeln. Was das betrifft, hat Rebers einige gesellschaftliche Defizite identifiziert. Wer nicht?
Das Schöne daran ist: Rebers hat die sprachlichen, schauspielerischen und musikalischen Mittel, seine Kritik an der instrumentalisierten Vernunft auszudrücken. Vielschichtig, fein ziseliert – und dachlattenmäßig mit voller Wucht. Als Empörungsdienstleister bestätigt er das, was der Zuschauer ahnt, er gießt es in Worte, in eine Dramaturgie, er errichtet ein moralisches Gebäude. Rebers ist Moralist. Seinen Kompass bestimmen die Himmelsrichtungen Freiheit, Erkenntnis, Toleranz und Menschlichkeit.
Diese Werte vermittelt er nicht plump – er kommt von hinten durch die Brust ins Auge. Er spielt den naiven „Gutmenschen“, er spielt mit den Klischees, die dessen Kritiker gegen ihn ins Feld zu führen versuchen. Resultat: Rebers zeigt, dass es einerseits keine Alternative zum Gut-Sein geben und dass andererseits humanistisches Handeln nicht zum Selbstzweck verkommen darf. Wer hilft, nur um sich im strahlenden Lichte des Helfers zu sehen, der hat einiges nicht verstanden. Und der ist kaum besser als der rechte Hetzer. Moralisch, nicht was die Konsequenzen seines Handelns für andere betrifft natürlich.
In „Rebers muss man mögen – Eine Abrechnung“ arbeitet der Kabarettist eine soziale Fehlentwicklung nach der anderen ab. Religiösem Wahn tritt er als Reverend mit seiner frohen Botschaft entgegen. Ja, er ist Religionsstifter, in seinen schlesischen Bitocken fasst er zusammen, was zusammengehört: Teilzeitjuden, Gelegenheitsmoslems, Ein-Euro-Christen. Ganz alte Werte. Weib, lass ab vom Scharren! Wer braucht schon Emanzipation oder gar ein Matriarchat? Kommen alle Weltreligionen ganz gut ohne aus. Und die Bitocken versammeln nun mal das Beste aus allen Religionen in Rebers‘ „Großem Mompel von Boblowitz“. Mompel gleich Moschee gekreuzt mit Tempel. Für diesen Glauben nur das Beste.
Muslime, Christen, Rechte, Linke – Rebers verarztet sie alle. Sobald ein moralischer Überbau nur noch dafür gebraucht wird, die eigenen Ressentiments unreflektiert zu pflegen, verkommt alles zur Ideologie. Glaube und politische Ausrichtung als Vorwand, selbst nicht mehr denken und selbstbestimmt handeln zu müssen, Buchstabentreue ohne Verstand – das ist Rebers ein Gräuel. Da haut er rein, mit Wucht und unnachgiebig. Wobei er’s natürlich leicht hat, wo er doch links und reich ist. Das ist eindeutig angenehmer als links und arm, von arm und rechts ganz zu schweigen, weil man dann zwangsläufig auch noch blöd ist.
Links, rechts, was soll’s? Merkel hat die Union über die Mitte hinaus so weit nach links gerückt, dass dieser Kompass so recht nicht mehr funktioniert. Diese Lücke in der Mitte besetzt Rebers – die radikale Mitte, die militante Toleranz. Selbstverständlich ist darin auch Rebers Selbstdarsteller. Aber das ist legitim. Er stellt sich dazu auf eine Bühne. Der gemeine Selbstvermarkter jedoch glaubt, das ganze Leben sei seine Bühne – und das Leben aller anderen gleich mit. Da wird die künstliche Bühnensituation des Kabarettisten doch schlagartig um einiges echter als das Dasein vieler Performer. Weil die sich vermutlich vom Postsaal-Mompel ferngehalten haben, bleibt für den Rest nun doch nur eine Lesart übrig. Rebers muss man mögen. Mit Akut auf „muss“.
(6. April 2016)
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