Mehr Glanz in den Postsaal gebracht: Georg Ringsgwandl. Fotos: fal
Ganz weit entfernt von Altersmilde
Georg Ringsgwandl jünger denn je im Postsaal: Frische Texte, frische Musiker, frischer Sound und Funktionshosen
Von Andreas Falkinger
Keine Pailletten. Keine Hotpants. Kein Raver-Strickhauberl. Keine Porno-Sonnenbrille. Noch nicht mal Rouge hat er aufgelegt. Nein, aber Funktionshosen trägt er jetzt, der Herr Ringsgwandl. Er ist halt auch schon knapp 66. Und da fängt ja bekanntlich das Leben an. Wer jüngeren Datums ist und ihn im Postsaal gesehen hat, der kann Hoffnung schöpfen, dass Udo Jürgens damit Recht hat. Georg Ringsgwandl ist weit davon entfernt, altersmilde zu sein.
[sam id=“8″ codes=“true“]Funktionshosen. Ein schönes Wort, geprägt von zeitgeistigen Marketing-Kreativen. Immer ein bisserl mehr ausdrücken, als dahintersteckt, und dabei doch indifferent bleiben. Klar, dass der Ringsgwandl diesen Mindersinn aufspießt. Aufspießen muss. Funktionshosen. Als seien Hosen ohne dieses Präfix ohne Funktion. Allein dass sie viele Haxen wenigstens nur ahnen lassen, ist Funktion genug. Mei, mei, mei. Jedenfalls muss er jetzt Funktionshosen tragen, weil das die Plattenfirma so gewollt hat. Fürs CD-Coverfoto. Lidschatten und Lippenstift im Gesicht eines Mannes, der sich verrenten lassen könnte, nein, das ist nicht mehr verkaufsfördernd. Da muss man fresh daherkommen, jugendlich, mit dem heißen Scheiß halt, den Star so trägt.
Deshalb muss der Ringsgwandl zum Einkaufen gehen, daheim in Murnau, das nicht so ist wie Traunstein oder Trostberg, sondern ein richtiges Kaff, mit Betonung auf richtig. Aber immerhin: Der Verkäufer hat den Bachelor. In Herrenoberbekleidung im Einzelverkauf. Brauchst du, für eine fundierte Beratung allemal. „Brauchst du Hose.“ So spricht man heute. Ist das eine Feststellung oder eine Frage? Egal, Hauptsach, man kommt ins Gespräch. Und erfährt, dass die Hose von heute „intelligent“ ist. Intelligenz, die Eigenschaft, die bis vor wenigen Jahren lediglich dem Menschen und in Ansätzen Primaten, Delfinen und labyrinthklugen Ratten zuerkannt wurde. Plötzlich waren Stromnetze und Telefone „intelligent“, später sogar Bomben. Und jetzt? Hosen. Weil die von selbst merken, wo die Hüfte sitzt und dann nicht mehr weiterrutschen. Wenn das ausreicht, um intelligent zu sein, dann hat’s die Menschheit geschafft, Dummheit zu eliminieren. Und der Bachelor in Herrenoberbekleidung dürfte dann auch keine intellektuelle Herausforderung mehr sein.
Jedenfalls steht Ringsgwandl da auf der Postsaalbühne, in seinem modischen Outfit. Jeansjacke, drunter das T-Shirt von Marc O’Polo und die offensiv getragene intelligente Funktionshose mit integriertem Boxershort-Saum und ganz viel Stoff im Schritt, als Reservoir wofür auch immer. Jugendlich, der Herr Ringsgwandl. Bisweilen wirkt’s ja eher peinlich, wenn die Leutchen nicht altersgemäß daherkommen, diese Pseudojugendlichen. Aber der Ringsgwandl kann’s anziehen. Passt.
Der ist gealtert, aber nicht alt. Scharfzüngig ist er wie eh und je, vielleicht schwingt er jetzt eine feinere Klinge als damals, als er das Skalpell mit dem Mikro tauschte. Da hat er sich über die Bühnen gekasperlt. Jetzt ist er ruhiger. Er tanzt noch, nach wie vor exaltiert, mit großer Geste, aber bewegungsreduziert. Die große Geste beherrscht er nach wie vor, nach jeder Nummer kommt der Hofknicks vorm Publikum, mit rückwärtigem Ausfallschritt, Beine gekreuzt und die Arme wie Flügel ausgebreitet. Seine Texte haben Schärfe, Tiefe und sind gescheit, er seziert den Zeitgeist. Das formuliert er aber so dezent, dass er nicht wie ein unangenehmes Gscheidhaferl rüberkommt. Er beobachtet, wundert sich und macht Musik draus. Der Zuhörer hört die Lieder, wundert sich mit und schaut dann hoffentlich auch besser hin. Wenn nicht, kann er immer noch Spaß an der Musik haben und über die Texte lachen. Spaßmacher ist Ringsgwandl aber keiner. Das ist keine Comedy. Intelligent in Melodien verpacktes Kabarett ist das. Und hier passt „intelligent“.
An den Stücken seiner aktuellen CD „Mehr Glanz“ haben seine jungen Begleiter maßgeblich mitgearbeitet. Allein das wär schon was für die Briefköpfe der Ringsgwandlschen Mitstreiter. Aber die sind offenbar auch noch eine Frischzellenkur für den singenden Ex-Oberarzt. Die neuen Stücke kommen mit einer unerhörten Leichtigkeit daher, sind dabei bis ins Detail durcharrangiert. Ganz großes Orchester.
Daniel Stelter ist ein so junger wie großartiger Gitarrist. Der schüttelt den Blues, den Rock und den Funk aus den Fingerspitzen, als stünde er schon seit 50 Jahren auf den Bühnen dieser Welt. Seine Referenzen sind auch nicht von schlechten Eltern – Stelter spielte schon für Till Brönner und Helen Schneider. Kollege Tommy Baldu am Schlagzeug steht ihm in nichts nach, Bassist Christian Diener zupfte bereits für Wolfgang Haffner und Pee Wee Ellis einen flotten Darm. Die Kombo ist gewaltig. Alles andere würde Ringsgwandl aber auch nicht gerecht. Dass die Drei aus Karlsruhe, Mainz und Wiesbaden und des bairischen Idioms nicht mächtig sind, tut dem Spaß keinen Abbruch. Ringsgwandl und seine Begleiter verstehen einander auf einer völlig anderen Ebene. Eher nonverbal. Und für einen knackigen Hintergrundchor zu „Hühnerarsch sei wachsam“ reicht’s allemal.
Die Frischzellenkur verpassen die Kollegen auch den alten Liedern im Programm. Die „Radlmare“ buckelt schon seit 28 Jahren – keine Spur vom Zahn der Zeit zu hören. Der „Heavy Metal Landler“ sägt seit einem Vierteljahrhundert durchs volkstümliche Wohnmobil – ohne jede Abnutzungserscheinung. Sogar das „arme, kleine Unterhoserl“ ist jetzt schon volljährig – und trotzdem frischer denn je. Und so gackert der Ringsgwandl fröhlich seine Lieder, ihm greift keiner ins Gefieder. Hühnerarsch, sei wachsam. So etwas würd ihm nicht ins Feng Shui passen. Hier ein Oratorium für Erkältete, intoniert in Oktaven, die fürs menschliche Ohr nicht geeignet sind, einst geschrieben für minderbegabte Salzburger Mozarteum-Studenten, dort ein mahnendes „Nix mitnehma“, das an Biss nichts verloren hat, im Gegenteil. All das hat – mehr Glanz, wie das aktuelle Material. Sogar ohne Pailletten, Rouge und Lipgloss. Und die Hose funktioniert auch.
(17. Oktober 2014)
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