Arbeitssitzung 1915 im Bürgermeisterzimmer des neu gebauten Rathauses: Johann Gastager, Peter Schägger, Bürgermeister Anton Lehemeir, Franz Gscheidmeyer, Simon Wimmer und Anton Rachberger (von links).
Erste Sitzung heute vor 100 Jahren
Jubiläum des Trostberger Rathauses – Knapp 19 Monate Bauzeit ohne jeden Unfall
Von Michael Falkinger
Wegen der Wirren des Ersten Weltkriegs ist ein wichtiges Trostberger Gebäude, das heute ein Jubiläum feiern kann, niemals offiziell eingeweiht worden: das Rathaus. Genau heute vor 100 Jahren – am 17. September 1915 – tagte im Rathausneubau zum ersten Mal das damalige Gemeindekollegium, neben dem Magistrat das zweite städtische Gremium. „In Anbetracht der gegenwärtig noch bestehenden schweren Kriegszeit wurde von einer offiziellen Eröffnungsfeier des neuen Rathauses Abstand genommen und soll eine solche erst nach Beendigung des Krieges und Rückkehr unserer im Felde stehenden Mitbürger stattfinden“, heißt es in einem Gedenkblatt, das der damalige Kollegiums-Schriftführer und spätere Bürgermeister Wilhelm Kellermann verfasste.
[sam id=“8″ codes=“true“]Im Jahr zuvor – am 2. Februar 1914 – berichtete die Heimatzeitung: „Eine schon lange Zeit wichtige, bedeutende Sache für die Stadtgemeinde Trostberg hat nun endlich ihre Erledigung gefunden. Das bisherige Rathaus mit dem sog. Marktschreiberhaus ist dem Abbruch geweiht und soll an Stelle dieser zwei Gebäude ein zeitgemäßes, den hiesigen Bedürfnissen entsprechendes neues Rathaus entstehen.“ Nachdem Trostberg am 11. Juni 1913 die Stadtrechte erhalten hatte und die industrielle Entwicklung des Orts Hand in Hand mit dessen vergrößertem kommunalen Geschäftsgang schritt, waren die Amtsräume im alten Rathaus nicht mehr ausreichend und nicht mehr zeitgemäß. Damit standen die beiden städtischen Kollegien vor der Wahl, entweder das alte Rathaus umzubauen oder an gleicher Stelle einen Neubau zu errichten.
Da die beiden Wohnungen im Marktschreiberhaus jedoch äußerst ruinös waren, entschieden sich die Stadtväter für einen Neubau. Der Bauausschuss legte dem Magistrat Vorschläge vor, der leitete sie dem Gemeindekollegium zur Beratung weiter. Am 28. Januar 1914 erklärte Kollegiumsvorsitzender Johann Rieger die Pläne und erläuterte die Kostenvoranschläge. In geheimer Abstimmung votierten die 15 Mitglieder einhellig für einen Neubau. Über zwei Jahre lang hatten die Vorverhandlungen gedauert. Am 16. Februar 1914 hielt das Gemeindekollegium seine letzte Sitzung im alten Rathaus; der März 1914 war für den Beginn der Abbrucharbeiten an Rathaus und Marktschreiberhaus bestimmt. Die gesamte Bauabrechnung für das neue Rathaus sollte sich letztlich auf den für die damalige Zeit nicht unerheblichen Betrag von 160.111 Mark beziffern. Bauleiter war Architekt Sebastian Polz aus Traunstein.
Die Entstehungsgeschichte des alten Rathauses reicht in die Anfänge des 16. Jahrhunderts zurück. Die damaligen Bayern-Herzöge Ludwig und Wilhelm hatten es 1527 erbaut; die beiden Landesfürsten hatten Trostberg auch das Marktrecht und das Recht, Marktstandgebühren zu erheben, verliehen.
Im ersten Stock befand sich ein saalartiger Raum, der durch das ganze Gebäude reichte. Es war Brauch, dass von den zwei Fenstern dieses Saals herab an hohen Feiertagen um 11 Uhr Trompeter und Posaunisten der Marktmusik ein Platzkonzert gaben. Mit diesem Brauch verabschiedeten sich die Trostberger 1914 von ihrem alten Rathaus vor dessen Abbruch. Eine große Menschenmenge versammelte sich vor dem Gebäude und lauschte feierlichen Choralklängen der Rathaus-Musik. Dann ging ein Stück Alt-Trostberg seinem Ende entgegen; während der Bauzeit wurden Gemeindeamt, Distriktssparkasse Trostberg und Allgemeine Ortskrankenkasse Trostberg, die vorher im alten Rathaus beheimatet waren, in der Brauerei Kammerl, dem heutigen Hotel „Pfaubräu“, untergebracht.
Trotz Kriegs und nur spärlich vorhandener technischer Hilfsmittel wurde der Neubau in knapp 19 Monaten ohne jeden Unfall vollendet. Für die Finanzierung setzten die Stadtväter drei Darlehen mit einem Gesamtbetrag von 145.000 Mark und Eigenmittel in Höhe von 15.000 Mark ein.
Bereits am 23. November 1914 meldete die Heimatzeitung: „Unser neues Rathaus ist bereits so weit gediehen, daß es unter Dach ist. Zur Zeit wird die Dampfheizung montiert und nach deren Fertigstellung wird mit dem Verputzen der Innenräume begonnen. Im nächsten Frühjahr wird dann auch äußerlich die Vollendung geschehen.“ Das große Gebäude mache in Anbetracht seiner kleineren Umgebung einen wuchtigen Eindruck und verändere das ganze bisherige Stadtbild. „Fix und fertig gestellt wird das neue Rathaus, dessen Innenräume sehr praktisch ausgebaut sind, wesentlich zur Verschönerung unserer aufblühenden Stadt beitragen.“
Bereits am 1. Juni 1915 konnte Polizeiwachtmeister Josef Bock seine im dritten Stock des neuen Rathauses befindliche Dienstwohnung beziehen. Am 1. September 1915 folgten Büro und Amtsräume, die im ersten Stock untergebracht wurden. Die Verwaltung, die vor 100 Jahren in das neue Rathaus einzog, bestand aus Bürgermeister Anton Lehemeir, Stadtsekretär Franz Gscheidmeyer, Magistratsassistent Johann Weinzierl, den Kanzlisten Josef Graml und Hans Schneider, Polizeiwachtmeister Josef Bock als Schutzmann, Elektromonteur Benedikt Koller sowie Gemeindearbeiter und Hausmeister Johann Maier. Im Erdgeschoss ließen sich Distriktssparkasse und Allgemeine Ortskrankenkasse nieder.
„Der Jetztzeit entsprechend vollzog sich dieser denkwürdige Tag in aller Stille; doch würdig und stimmungsvoll“, schrieb die Heimatzeitung am 13. Oktober 1915 über die Eröffnungssitzung des Gemeindekollegiums – also fast einen Monat später. Das erste dreifache „Hoch!“ des Kollegiums galt König Ludwig III., dem damaligen Schirmherrn über die gemeindlichen Behörden. „Mächtig durchhallte dieser Ruf den stattlichen Festsaalbau mit dem erneuten Gelöbnis unverbrüchlicher Treue und Anhänglichkeit an das angestammte Herrscherhaus“, heißt es in der Heimatzeitung.
König und Kaiser sind längst Geschichte; auch Weimarer Republik und Nationalsozialismus hat das jetzige Rathaus überdauert. Zehn Bürgermeister sind in der Vergangenheit in seinen Räumen ihren Amtsgeschäften nachgegangen: Anton Lehemeir (bis 1919), August Nadler (bis 1922), Wilhelm Kellermann (bis 1933), Andreas Krämer (bis 1945), Josef Brandl (bis 1946), Stefan Pinsl (bis 1961), Josef Wex (bis 1978), Hans Schlagberger (bis 1990), Walther Heinze (bis 2002) und Ignaz Sperger (bis 2008). Elfter Bürgermeister ist der amtierende Rathaus-Chef Karl Schleid.
Das Gebäude wurde im Laufe der Zeit immer wieder in Form gebracht. So gab es zum Beispiel 2012 große Maßnahmen in puncto Sanierung des Hauses und Neugestaltung des Rathausgangerls. Leuchtend startete das Rathaus ins große Jubiläumsjahr 2013. Anlässlich einer Silvesterparty prangte auf der Fassade zur Schulstraße ein großes illuminiertes Trostberger Stadtwappen. Und das war ja dann vielleicht doch noch eine kleine Entschädigung für die versäumte offizielle Eröffnungsfeier.
(17. September 2015)
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