Die legitimen Nachfolgerinnen Karl Valentins: Hasemanns Töchter. Foto: fal
Mit Inbrunst der Absurdität gewidmet
„Das volle Programm“ mit Hasemanns Töchtern im Postsaal-Gewölbe: Geballter intelligenter Unsinn
Von Andreas Falkinger
O Berg, euch li-ab ich allezo-at, ja selbscht im Winter, wenn es schno-at. Wär das ernst, wär’s keine Gaudi. Keine Gaudi nicht. Und dennoch tragen die beiden Hanns von Gumppenbergs Gedicht vom „Edelweiß“ mit heiligem Ernst vor. Mit Inbrunst gar. Schöner könnt’s ein Preiss auch nicht, im vollen Bewusstsein, dass er’s kann. Bairisch. Währenddessen versucht der Bayer, seine sich rollenden Fußnägel halbwegs zu bändigen. Wobei’s die beiden durchaus können, volles Programm. Hasemanns Töchter sind Straubingerinnen. Und das volle Programm können sie, auch weil es so heißt, ihr Programm, das sie im Postsaal-Gewölbe gezeigt haben.
[sam id=“8″ codes=“true“]Und sie liefern es ab, das volle Programm, die beiden Hasen. Sie singen, musizieren, rezitieren, spielen Theater. Der Herr Hasemann kann stolz auf seine überaus begabten Töchter sein. Könnte. Wenn’s ihn gäbe. Denn eigentlich ist „Hasemanns Töchter“ eine Komödie von Adolph L’Arronge aus dem Jahr 1877, die vor allem deshalb noch bekannt ist, weil sie Franz und Paul von Schönthan 1884 in ihren Stück „Der Raub der Sabinerinnen“ integriert haben. Ein Schwank im Schwank, eine Art Humorquadratur, größtenteils harmlos, nett und spaßig. Kurzweilige Unterhaltung, die nicht weiter nachhallt. Idealer Stoff für einen altmodischen Schwarzweißfilm mit Paul Hörbiger und Gustav Knuth.
Das sind Hasemanns Töchter nun gar nicht. Die sind bunt, grell, witzig – und gar nicht harmlos. Sie singen Couplets wie Bally Prell oder der Weiss Ferdl, erzählen Geschichten wie die Trambahnschienenritzenreinigerin Ida Schumacher, gern auch mit Liesl Karlstadts naivem Gschau. Wenn Hase I, Maria Hafner, und Hase II, Julia Loibl, mit Sprache spielen, dann drängt er sich auf, der Verdacht mit dem König der Absurdität – mit Karl Valentin. Das volle Programm – das ist geballter, intelligenter Unsinn, das ist kindlich-anarchische Lust an der Gaudi.
Ihr Name „Hasemanns Töchter“ ist eine Reminiszenz an den Humor vor der vorletzten Jahrhundertwende, sie wecken Assoziationen an Münchner Volkssänger des letzten Jahrhunderts – und doch wirken Hafner und Loibl mit ihren Dirndln, ihren Akkordeons, ihrem zweistimmigen Gesang nur auf den allerersten Blick wie aus der Zeit gefallen. Das ist keine Trachten-Stubnmusi-Romantik, keine Huldigung bayrischer Gemütlichkeit, kein nostalgisches Schwelgen in der guten, alten Zeit, beileibe nicht. Wenn sie auch stilistische Mittel des 100 Jahre alten Dadaismus nutzen und wunderbar auf die historische Wiesn passen, sind sie doch im Hier und Jetzt geerdet. Sie beobachten genau und packen diese Beobachtungen in wohlgesetzte Worte. Da wird das Oktoberfest zu dem, was es ist: zum Kommerzkomasaufen für Schunkeljunkies mit Hang zum Seitensprung. Mia zwoa, mir bleima zsamm, bis ma de Mass ausdrunga ham. Natürlich vollwertig, mit Biovollkornnudelauflauf, aber ohne Tier.
Dabei schmurgeln Hasemanns Töchter nicht im Münchner Safterl, sie schauen schon auch über die Landesgrenzen. Ganz nachhaltig, lokal denken, global handeln. Oder so. Offensiv tragen sie bayrisches Liedgut in die Welt hinaus, das internationale Publikum soll ja auch was von unseren kulturellen Errungenschaften haben. Das Lied vom „Saubärgrunzer“ zum Beispiel. Wär ewig schad, wenn der außerhalb Bayerns nicht wahrgenommen würde. Gut, textlich ginge nicht viel verloren, zumindest nicht viel Wichtiges. Aber als Zeugnis frühdadaistischer Tendenzen kann die Geschichte immerhin herhalten. Und als moralischer Fingerzeig sowieso: „Drum nimm vor freier Liebe dich in Acht, denn die hat schon manchen Saubärn umgebracht.“ Wenn das internationale Publikum von diesen Weisheiten profitieren soll, dann braucht’s zwingend eine Übersetzung ins Englische. And unfortunately the pig bear was mashed. Das wenn die Welt nicht erfahren hätte.
Aber weil uns das Hemd näher ist als der Rock, bewegt den bayrischen Zuschauer von Hasemanns Töchtern doch die Kernfrage des weiß-blauen Daseins viel intensiver: Wia stehst na du zum Leberkas? Wer darauf eine Antwort braucht – und wer bräuchte die nicht? – der sollte sich dringend das volle Programm geben. Und alle anderen natürlich auch.
(10. Juli 2015)
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