Keine guten Verlierer
Schade eigentlich. Wir wollten so gern dazugehören. So gern. Haut nicht hin. Wo das doch total toll wäre: Souverän drüberstehen, schütteln, Mund abputzen, nach vorne schauen. Wie man das als Sportsmann halt so macht. In der Liga der guten Verlierer. Sind wir nicht dabei. Schade.
Aber die Frage ist doch: Wollen wir das? Wollen wir gute Verlierer sein? Eigentlich wollen wir gar nicht verlieren, nein, gewinnen wollen wir. Nicht immer, aber schon öfter als wir verlieren. Warum sollte die schauspielerische Leistung, den Ärger nach einer Niederlage runterzuschlucken und ein freundliches Lächeln ins Gesicht zu schrauben, ein Zeichen von Fairness sein? Nennen wir’s doch einfach mal Heuchelei.
Und die mögen wir definitiv nicht. Wir wollen hier nicht unsere moralische Größe in der Niederlage heucheln. Braucht’s nicht. Wenn wir angepisst sind, dann geben wir nicht vor, ein Spritzerchen Rosenwasser abbekommen zu haben. Wir nicht.
Das neue Amtsblatt. Wir Orgelpfeifer wollten’s machen. Stadtrat und Verwaltung haben sich aber für den Linus Wittch Verlag entschieden. Sei’s drum. Klar, für den Preis. Außerdem standen ja noch andere, zum Teil brisante Themen auf der Tagesordnung der Stadtratssitzung. Da musste noch jede Fraktion ein staatstragendes Statement dazu abgeben, ob auf dem Straßenschild in Oberfeldkirchen „Bgm.-Alois-Mussner-Straße“ oder doch nur „Alois-Mussner-Straße“, versehen mit einem Zusatzschild „Bürgermeister von 1966 bis 1978“, stehen soll. Da kann man sich schon mal in Rage reden. Unseren Vorschlag zur Güte sehen Sie rechts…
Jedenfalls stellt dieser Preis de facto nur aus extremer Ferne besehen einen Vorteil für die Stadt dar. Doch dazu später. Was uns aus den Latschen kippen ließ, war der zweite Teil der Begründung: „… weil bei einem größeren Verlag das Erstellen des Blatts auf alle Fälle gesichert ist“. Da stellt sich die Frage, ob Stadtrat und Verwaltung in Zukunft nicht lieber drauf verzichten sollten, Begründungen für ihre Beschlüsse zu formulieren. Einfach beschließen und Schluss. Solche Peinlichkeiten sollte man sich ersparen.
Übersetzt heißt die Begründung: Wir Kleinen kriegen nix gebacken. Kann man sich nicht drauf verlassen. Nett, vielen Dank. Zum anderen ist das ein fatales Signal für den örtlichen Mittelstand, das Stadtverwaltung und Gremium damit aussenden: Genauso könnte man den Bürgern empfehlen, ihre Semmeln nur noch bei Aldi zu kaufen. Der ist groß, da ist die Versorgungssicherheit gewährleistet. Und billiger sind die Semmeln sowieso. Pfeif auf die örtlichen Bäckereien. Literatur? Bestellt die bei Amazon, die Buchhändler in der Stadt sind doch Zwerge gegen den Versandhändler. Wer weiß, ob’s die im kommenden Jahr noch gibt. Nein, regionale Wirtschaftsförderung sieht anders aus.
Zwei Trostberger Anbieter gab’s, beide schauen mit dem Ofenrohr ins Gebirge. Weil sie preislich zu hoch lagen. Weil sie der Stadt eben nicht nur die Druckkosten berechnet haben. Arbeit muss bezahlt werden. Wenn es sich der siegreiche Bieter leisten kann, nur den Druck abzurechnen – bitte. Aber das heißt im Umkehrschluss, dass die Stadt auch nur den Druck bekommt. Die Betonung liegt auf nur. Alle anderen Arbeiten hat die Verwaltung zu leisten. Und da kommt unsere Position ins Spiel: Unser Angebot beinhaltete auch alle anderen Leistungen. Wir Orgelpfeifer machen seit 22 Jahren Zeitung. Wir kennen die Abläufe, die handwerklichen, die redaktionellen, die technischen. Ein gewisses Mindestmaß an Erfahrung dürfte man uns also zugestehen.
Das Amtsblatt soll keine Konkurrenz zur Tageszeitung werden – diese Devise hat die Verwaltung ausgegeben. Es ist ein Mitteilungsblatt, kein journalistisches. Redaktionelle Leistungen braucht’s trotzdem: Die Artikel sind in Form zu bringen, Rechtschreibung, Zeichensetzung, Layout, Gestaltung, Bildredaktion fallen auch bei einem Amtsblatt an. Das Ganze muss sauber organisiert werden. Wenn die Stadt ein ordentliches Produkt rausbringen will, dann muss sie nicht nur in den Druck investieren, sondern auch in die Erstellung. Die kostet Zeit – und damit Geld. Wir gehen sehr davon aus, dass die Mitarbeiter der Stadt Trostberg bislang ihren Lebensunterhalt nicht mit Däumchendrehen verdient haben. Zum bisherigen Arbeitsaufwand kommt jetzt also noch das Amtsblatt. Konservativ geschätzt sind das sechs bis acht Stunden intensiver, konzentrierter Arbeit. Pro Ausgabe. Sechs bis acht Stunden, in denen die eigentliche Arbeit der Mitarbeiter eben nicht erledigt wird. Sechs bis acht Stunden, für die selbstverständlich Personalkosten anfallen. Sechs bis acht Stunden, die der Marquartsteiner Verlag nicht kalkulieren musste. Wir schon.
Aber der Nebeneffekt wäre gewesen: Die Stadt hätte sich im Vorbeigehen eine eigene Pressestelle eingekauft – etwas, worüber beispielsweise in Traunreut intensiv gestritten wurde. Jeder Text hätte 1:1 an die Tageszeitung, das Lokalradio, das Regionalfernsehen, ans Trostberger Online-Magazin rausgehen können. Ohne Zusatzkosten, ohne Mehraufwand, einfach so.
Aber auch vom Angebot des Linus Wittich Verlags hat die Stadt einen Zusatznutzen – keinen kostenlosen, aber immerhin: Für 928,20 Euro jährlich bekommt sie ihr Amtsblatt als E-Paper. Herzlichen Glückwunsch. Das zeugt von technischem Grundverständnis. Druckdaten in ein E-Paper umzuwandeln kostet pro Ausgabe 35,70 Euro plus Mehrwertsteuer. Und etwa fünf Minuten Arbeit. Die Stadt hat sich also für einen Stundenlohn von 428,40 Euro ein E-Paper eingekauft. Nicht schlecht. Von uns hätte sie das günstiger bekommen. Und das würde mit Sicherheit nicht so ausschauen. Falls Sie sich nicht die Mühe machen wollen, diesem Link zu folgen, zitieren wir mal aus diesem E-Paper der Gemeinde Nussdorf: „Es geht voran Neue Ladesä Gemeinde Ladestationen in Sondermoning Die Zeit, in d jeden Tag in den Zeitungen“. Oder noch eleganter: „Angebote der Offenen Behindertenarbeit der Leber Kreisvereinigung Traunstein…“ Na, wenn das keine 928,20 Euro plus Mehrwertsteuer wert ist, dann wissen wir’s nicht. Der Stadtrat hat sich für das billigste Angebot entschieden. Das billigste. Dummerweise hat er dabei nicht Äpfel mit Birnen, sondern Äpfel mit Abführtabletten verglichen. Und ja, Sie haben Recht: Wir sind keine guten Verlierer.
Dipferlscheißer vom Dienst (DvD): Andreas Falkinger
Den Bericht aus dem Stadtrat zum selben Thema finden Sie hier: Amtsblatt und neue Straßennamen
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