Es kommt Hartmund Pradel weniger darauf an, dass seine Arbeiten handwerklich perfekt sind – sie müssen seine jeweilige Befindlichkeit ausdrücken. Foto: fal
Abstraktion im Konkreten
Malen als Selbsttherapie: Ausstellung von Hartmund Pradel im Atrium am Stadtmuseum
Von Andreas Falkinger
Ist Kunst „normal“? Nein. Kunstwerke und Alltag haben keine Schnittmenge, zumindest nicht für uns „Normale“. Kunst ist etwas für den Sonntag, den Feiertag, den Feierabend. Kunst ist Ausbruch aus dem Alltag, Kunst fordert. Aufmerksamkeit, offene Sinne, Denken jenseits plattgestampfter Pfade, sie ist heiß oder kalt, niemals lau. Kreativität erwächst nicht aus Gleichförmigkeit, aus Beliebigkeit. Sie ist ein Ausbruch des Gemüts, des Gefühls, ist Bewegung. Das macht die Arbeiten Hartmund Pradels aus: Bewegung.
[sam id=“8″ codes=“true“] Seine Bilder sind keine eingefrorenen Momente. Man sieht ihnen die Arbeit an, den Kampf zwischen Geist, Farben und Leinwand. Und dennoch sind sie nicht verbissen, symbolisch überladen. Pradel will nicht zu viel – und doch will er alles. Er kehrt in seinen Gemälden sein Innerstes nach außen und hat keine Angst davor, dass der Betrachter das erkennt. Er will nicht verbergen, er will zeigen. „Die Malerei ist für mich eine Möglichkeit, mich auf mich selbst zu zentrieren.“ Kunst als Form der Selbsttherapierung – ein Konzept, das Pradel für sich heilsam umsetzt. Der gelernte Spengler war Co-Geschäftsführer eines erfolgreichen Unternehmens in Altenmarkt. „Ich war immer vom Anspruch getrieben zu funktionieren, im Beruf, in der Ehe, in der Freizeit. Anfangs kam das von außen, schrittweise hab ich den Anspruch für mich vereinnahmt. Irgendwann ging’s dann nicht mehr.“ 1993 kam der Zusammenbruch. Burnout, Depression, Klinikaufenthalte.
Mit Kunst hatte sich Pradel seit früher Jugend beschäftigt. „Einer meiner Lehrer an der Tachertinger Volksschule, Rektor Schunigl, hat mich sehr gefördert.“ Erst im Krankenhaus hatte Pradel wieder die Gelegenheit zu malen. „Alles fließen zu lassen und es zuzulassen mich nur mit mir selbst zu beschäftigen ohne funktionieren zu müssen – ich hab gemerkt, dass mir das gut tut.“ Seither hat ihn die Malerei nicht mehr losgelassen. „Daheim hab ich eine große Bibliothek mit Büchern über Künstler. Damit hab ich mich viel beschäftigt.“ Angefangen habe das mit Van Gogh und dessen Briefwechsel mit seinem Bruder Theo. „Da schildert Van Gogh zum Beispiel, wie er seine Farben mit Eigelb anmischt. Das hab ich dann natürlich auch gleich ausprobieren müssen.“ Zu den zeichnerischen Erfahrungen aus der Schulzeit kamen so immer mehr malerische Kenntnisse, dazu das Interesse an den Werken von Gustav Klimt und den Impressionisten an der Schwelle zum Expressionismus, die ihn maßgeblich beeinflusst haben.
Dieser Einfluss ist zu sehen. Pradel kupfert dabei aber nicht ab. Seine Eindrücke verarbeitet er auf seine eigene Weise. Es kommt ihm weniger darauf an, dass die Arbeiten handwerklich perfekt sind – sie müssen den Einklang seiner Befindlichkeit darstellen. Wenn er Stadtansichten malt, dann geht’s ihm nicht darum, dass die rechten Winkel am rechten Ort sind oder dass die Farben möglichst naturalistisch gewählt sind. Er schafft einen Anker, etwas, was der Betrachter wiedererkennen kann, und drapiert für ihn passendes darum herum, abstrahiert im Konkreten. Dass sich dabei Stahlendes zu Dunklem fügt und Ästhetisches zu Verstörendem, macht seine Arbeiten umso authentischer. Kunst ist für Pradel der gangbare Weg, sein Seelenleben sichtbar zu machen – für den Betrachter, aber noch viel wesentlicher: für sich selbst.
Die Ausstellung im Atrium am Stadtmuseum ist noch bis Sonntag, 29. März, täglich von 13 bis 18 Uhr geöffnet.
(26. März 2015)
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