[sam id=“4″ codes=“true“]
Einen nach dem anderen haut Klaus Eckel raus, mit einer Pointendichte, die dem Zuschauer kaum Zeit zum Durchschnaufen lässt. Fotos: fal
Wiener Kabarettist Klaus Eckel war im Postsaal – wer noch? Besuch und Programmqualität stehen in keiner Relation
Von Andreas Falkinger
Es ist eine Frage der Mentalität. Nicht nur, aber schon auch. Gut, so groß sind die Unterschiede nicht, der Österreicher an sich liegt uns ja nah. Schon allein wegen der Geografie. Aber er tickt halt ein bisserl anders, der Österreicher – im Allgemeinen und der österreichische Kabarettist sowieso. Dem ist vieles a priori einfach mal hauptsächlich wurscht. Jo eh. So wie diesem Klaus Eckel, der mit seinem Programm „Weltwundern“ im Postsaal aufgeschlagen ist.
[sam id=“8″ codes=“true“]Woran erkennt man besagten Mentalitätssonderweg dieses Österreichers im Speziellen? In seinem Verhältnis zum Marketing etwa. Selbstvermarktung ist das Zauberwort. Macht doch jeder. Ein Selfie beim gleichmäßig Schauen geknipst und auf die Facebookseite gestellt. Oder ein Foodie vom in mühevoller Kleinarbeit kreierten Spiegelei, die ganz hohe Cuisine. Irgendwas Weltbewegendes jedenfalls. Alles muss rausgeblasen werden in die Welt. Könnte sich ja ein umgefallener Sack Reis in China dafür interessieren. Eckel macht das anders.
Natürlich betreibt er auch Facebook-Profile. Aber im Vergleich zum Durchschnittsuser, der kundtut, was er zum Frühstück zu sich genommen hat und wie das Wetter grad ist, macht er das selbstvermarktungstechnisch nur so semiprofessionell. Hier mal ein Bild zum nächsten Auftritt, dort eins vom letzten, mal ein Link zu einer Kritik. Da erfährt keiner, ob ihm ein Zehennagel eingewachsen oder ob in Wien heute wieder die Sonne aufgegangen ist. Semiprofessionell. Wie soll der denn – außer vielleicht in Österreich – weltberühmt werden? So weltberühmt, dass mehr als 50 plus x Besucher in den Postsaal kommen?
Kummts oder losstses
Es ist ja nicht so, dass der Mann nichts vorzuweisen hätte. Den Kärntner Kleinkunstdrachen, den Goldenen Kleinkunstnagel und die Hirschwanger Wuchtel zum Beispiel. Damit macht er keine Werbung vor seinem Auftritt in Trostberg, die erwähnt er nicht. Auch nicht den Leipziger Löwenzahn – ja, sogar Ossis verstehen den Österreicher und seinen Witz. Und schon gar nicht trägt er das Passauer Scharfrichterbeil, den Stuttgarter Besen, den Förderpreis der Stadt Mainz zum Deutschen Kleinkunstpreis und den Salzburger Stier vor sich her. Hat er alles nicht nötig. Dass vielleicht die beiläufige Erwähnung, Eckel sei Träger des Österreichischen und des Deutschen Kabarettpreises, ein paar Trostberger mehr in den Postsaal gelockt hätte – eh wurscht. Kummts oder losstses.
Der Zentralsüdostoberbayer will wissen, worauf er sich einlässt. Komik-Kompetenz muss der Kabarettist im Vorfeld beweisen. Eigene Fernsehsendungen – schön und gut, aber im ORF? Oder auf 3Sat, diesem Pseudointellektuellenspartenkanal? Sind die Beweis genug? Ha, uns ist die österreichische Mentalität nicht fremd. Wenn’s ihm wurscht ist, dann uns aber auch. Doppelt so wurscht. Und überhaupt: zwei Stunden lang praktisch am Stück durchlachen – wer will das schon? Ist das überhaupt noch gesund? Kann man vom Lachen Burnout bekommen?
In der Tradition Haders und Dorfers
Eckel ist ein Kabarett-Kaliber, einer derer, die Haders und Dorfers Tradition weitertragen können. Ein richtig Guter. Weil: Wichtig ist auf der Bühne. Einen nach dem anderen haut er raus, mit einer Pointendichte, die dem Zuschauer kaum Zeit zum Durchschnaufen lässt. Warum sollte er sich über das überschaubare Publikum beklagen? Nein, macht er nicht, im Gegenteil, er bedankt sich so ehrlich wie überschwänglich, dass die, die da sind, da sind. Wozu sich über Trostberg wundern? Er hat in seinem Programm weit größeres vor. Weltwundern. Da ist Trostberg quasi immanent. So geht Globalisierung.
Eckels Pointendichte, ja. Die kann ein Witzeerzähler, ein Comedian in Grundzügen auch vorweisen. Aber anders. Eckel kommt über Sprache, über Aussagenlogik, über den Gehalt der Wörter. Der Wiener analysiert den Zeitgeist über dessen kommunikative Einzelkomponenten. Am Anfang ist das Wort. Auch aus dem Zusammenhang des Programms gerissen taugten die meisten Zitate Eckels wunderbar als Aphorismen, ein Bonmot nach dem anderen. Diese Miniaturen entlarven den Schwachsinn oberflächlicher, politischer, sozialer und sozialmedial-digitaler Kommunikationsversuche samt Verwerfungen, die sich auftun, wenn einer außerhalb der Konventionen und ziemlich analog darauf reagiert. Stoff dafür hat er genügend, kein Wunder, wo sein Programm doch gleich als Projektionsfläche für die ganze Welt dient.
Ein bisserl anarchisch, ein bisserl subversiv
Ein bisserl anarchisch, ein bisserl subversiv ist er natürlich, der Klaus Eckel, als Kabarettist eh und als Österreicher sowieso. Und trotzdem ist das nicht wild, was er macht, auch wenn er, sich scheinbar verhaspelnd, manchen Satz nicht zu Ende bringt, sich im Sturm des Vortrags überschlägt. Was nicht fertig wird, muss nicht gesagt werden. Das scheint nur hektisch. In Wirklichkeit folgt das Programm einer sauber austarierten Choreografie; Eckel ist bei weitem mehr als ein Alf Poier ohne ADHS. Er hat Schmäh, melodischen Schmäh. Sogar, wenn er, sich am E-Piano, am „Flügel to go“ begleitend, singt und dabei die Melodie eine eher nachgeordnete Rolle spielt. Dann erinnert Eckel an Rainald Grebe, bekannt aus den Dritten Programmen und 3Sat, oder was man so „bekannt“ nennt.
Ob die Geschichten, die sich ihm auftun, alle wahr sind? Wen kümmert’s, ob in einem amerikanischen Kaff tatsächlich ein Toter zum Bürgermeister gewählt wurde, weil der trotz allem dynamischer als die Gegenkandidaten wirkte? Hauptsache, der Wähler geht überhaupt zur Urne. Wen kümmert’s ob Eckel seine Tochter Sophie tatsächlich zweisprachig erzogen hat, damit sie ihn jetzt bilingual ignorieren kann? Oder ob er den Trend der pränatalen Prägung, bei dem Babys schon im Mutterleib mit Mozart penetriert werden, tatsächlich perfektioniert hat und er seine Spermien mit kleinen Hodenkopfhörern auf Genialität trimmt? Alles nur marginal. Aber die Summe der Teile, die macht Eckels Blick auf die Welt rund. Und saukomisch. Weltwunderbar.
Ach ja, wer den Österreicher verpasst hat: Nächsten Dienstag ist er bei Max Uthoff und Claus von Wagner in der ZDF-„Anstalt“ zu Gast. Auch wieder so ein gebührenfinanzierter Randgruppenkanal. Unbedingt anschauen, kostet ja nichts extra. Und keine Sorge, zwei Stunden bekommt Eckel da nicht. Die Gefahr eines Lachburnouts ist nicht ausgeschlossen, aber überschaubar.
(20. März 2015)
[wppa type=“slideonly“ album=“5″ size=“1200″ align=“center“]Any comment[/wppa]
Neueste Kommentare