Sozialpolitischer Aschermittwoch: Zu der AWO-Veranstaltung waren AWO-Bezirksgeschäftsführer Andreas Niedermeier, Landrat Siegfried Walch, AWO-Kreisverbandsvorsitzende Brigitte Zimmermann, AWO-Bezirksvorsitzender Herbert Hofauer, Gastrednerin Dr. Britta Wagner, Bayerns AWO-Ehrenvorsitzender Seban Dönhuber und Trostbergs Bürgermeister Karl Scheid (von links) gekommen. Foto: fam
„Sozialausgaben sind Investitionen“
Dr. Britta Wagner Gastrednerin beim Sozialpolitischen Aschermittwoch des AWO-Bezirksverbands
Von Michael Falkinger
Eine Ehre für den Trostberger Ortsverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO): Seit 1985 lädt der AWO-Bezirksverband Oberbayern zum Sozialpolitischen Aschermittwoch ein. Zum 30. Jubiläum hat ihn der Verband in Trostberg veranstaltet, wo mit etwa 1.180 Angehörigen der mitgliederstärkste Ortsverband des Landkreises Traunstein beheimatet ist.
[sam id=“8″ codes=“true“]Der Bezirksverband habe sich verpflichtet, sich öffentlichkeitswirksam für die Belange der ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter einzusetzen und daher den Sozialpolitischen Aschermittwoch in Trostberg als Plattform dafür auserkoren, erklärte Herbert Hofauer, AWO-Bezirksvorsitzender und Erster Bürgermeister von Altötting, am Aschermittwoch im Postsaal. Die AWO Oberbayern stehe für tarifvertraglich vereinbarte Arbeitsbedingungen und tarifliche Bezahlung aller Beschäftigter. Der Verband trete dafür ein, die Rahmenbedingungen in der sozialen Arbeit zu verbessern und die Wertschätzung für soziale Berufe zu fördern. Ziel sei, die Attraktivität der sozialen Berufe zu steigern, die Investitionen anzuheben, um die Beschäftigten zu qualifizieren, und die notwendige bessere Bezahlung der Fachkräfte zu erreichen.
„Investitionen in Soziales lohnen sich. Vom vielfachen Nutzen der sozialen Arbeit“, lautete dann auch der Titel des Referats von Gastrednerin Dr. Britta Wagner. Die promovierte Soziologin und Diplom-Pädagogin ist Beraterin bei der „xit GmbH forschen. planen. beraten.“ in Nürnberg. Mit der Evangelischen Hochschule Nürnberg und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt hat sie eine Methode entwickelt, die den sozialen Mehrwert von Investitionen in die soziale Arbeit nachprüfbar darstellt: das Social Return on Investment (SROI). Die Grundidee ist, die Wirkung sozialer Projekte auszudrücken – und das möglichst in Geldwert.
„Es geht immer um Geld und um dessen Verteilung“, erklärte Wagner und zählte die Kosten der dienstleistungsintensivsten Sozialbereiche für 2013 auf: Eingliederungshilfe 15,6 Milliarden Euro, Kinder- und Jugendhilfe 35,5 Milliarden Euro und Pflegeversicherung 23 Milliarden Euro. Ergibt knapp 75 Milliarden Euro. Dass die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung diese sozialen Dienstleistungen als staatlichen Konsum und nicht als staatliche Investitionen aufweist, bezeichnete die Soziologin jedoch als Fehlschluss.
Warum Sozialausgaben in erster Linie Investitionen sind und wem sie nützen, erklärte Wagner an einem Beispiel aus der SROI-Perspektive. In einer bundesweiten Studie für Werkstätten für Menschen mit Behinderung hat xit die finanziellen Wirkungen zusammengerechnet: Die öffentliche Hand zahlt an die Werkstätten 100 Euro, damit sie Arbeitsplätze bereitstellen und behinderte Menschen fördern. Davon fließen durchschnittlich 52 Euro direkt wieder zurück – in Steuern und Sozialbeiträgen. Bleiben 48 Euro an Nettokosten übrig. Die Werkstätten beziehen Vorleistungen zum Beispiel von Handwerkern und erzeugen damit wiederum Beschäftigung, die zu Steuern und Sozialbeiträgen in Höhe von weiteren 54 Euro führen. Die Nettokosten schrumpfen erneut, und die Rückflüsse übersteigen bereits leicht die investierten Mittel. Da für die öffentliche Hand der Unterhalt der Werkstätten günstiger sei als die Arbeitslosigkeit der Beschäftigten, verbessere sich das Ergebnis noch einmal leicht. Am Ende stehe eine Wertschöpfung von 108 Prozent der anfangs investierten Mittel.
Dass es soziale Dienstleistungen und ein steuerfinanziertes Solidarsystem gibt, um Lebensrisiken abzumildern, sei eine zivilisatorische Errungenschaft. Das System sozialer Dienstleistungen pflege und erhalte gesellschaftliche Grundwerte: die Würde des Menschen, Gleichheit und Freiheit. „Dass soziale Dienstleistungen weniger kosten als gedacht und sich auch wirtschaftlich rechnen können, ist ein willkommenes Kuppelprodukt“, betonte Wagner.
Mit der SROI-Logik ließen sich konkurrierende sozialpolitische Lösungswege vergleichen, Gesetzesänderungen oder Finanzierungsvarianten simulieren und deren Auswirkungen analysieren. Die Referentin stellte aber auch klar: „Politik wird am Ende immer gefragt sein, wenn es darum geht, was man tun soll und was nicht. Und am Ende geben immer Machtverhältnisse den Ausschlag.“
Dass die AWO die Politik in die Pflicht nehmen will, betonte Traunsteins AWO-Kreisverbandsvorsitzende Brigitte Zimmermann. Die AWO mische im Landkreis Traunstein mit – nicht zuletzt als großer Arbeitgeber. Daher begrüßte Zimmermann den Mindestlohn als richtigen Schritt und missbilligte die Kritik der bayerischen Staatsregierung am angeblich hohen bürokratischen Aufwand beim Mindestlohn.
Zu den Honoratioren aus Politik und AWO gehörten neben Trostbergs AWO-Ortsvorsitzender Gabi Griesbeck, dem Ehrenvorsitzenden der Bayerischen Arbeiterwohlfahrt und Altöttings Altlandrat Seban Dönhuber und AWO-Bezirksgeschäftsführer Andreas Niedermeier auch Trostbergs Erster Bürgermeister Karl Schleid und der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch. Schleid erklärte, dass die Wohlfahrtsverbände AWO und VdK zu den sozialsten Vereinen Trostbergs gehören. Er hob hervor, dass die Stadt nicht nur mit Industrie und Handel punkte, sondern auch mit zahlreichen sozialen Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Ganztagsbetreuung und Familienstützpunkt.
In Trostberg geschehe sozialpolitisch sehr viel, betonte Walch. Die Stadt und die örtlichen Verbände engagierten sich sehr für Integration. Der Landrat bezeichnete die AWO als wichtigen Partner für den Landkreis. Sein Appell an die AWO-Funktionäre: „Bitteschön, macht weiter so.“
(18. Februar 2015)
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